Typische Fehler bei Bayesianischen Aufgaben
Die Formel von Bayes ist ein zentrales Modell für die Einschätzung von Situationen unter Unsicherheit. Sie ist
von fundamentaler Bedeutung in der Wahrscheinlichkeitstheorie und in vielen Professionen wie etwa der Medizin oder Rechtsprechung. Allerdings
gibt es zahlreiche Befunde aus der Kognitionspsychologie und Mathematikdidaktik, die zeigen, dass Lernende wie auch Experten
erhebliche Schwierigkeiten bei der Einschätzung Bayesianischer Situationen haben - damit sind Situationen gemeint, in
denen die Formel von Bayes angewendet werden kann. Aufgrund der Bedeutung der adäquaten Einschätzung Bayesianischer
Situationen gibt es zahlreiche empirische Arbeiten, die mögliche Einflüsse auf die Performanz von Versuchspersonen in
Bayesianischen Situationen untersuchen. Performanzsteigernd hat sich dabei insbesondere das Format der statistischen
Informationen in einer Bayesianischen Situation als "natürliche Häufigkeiten" ("80 von 100 Personen" statt Wahrscheinlichkeiten
"80%") und die Visualisierung der statistischen Informationen erwiesen. Bisher sind Lösungsquoten in Abhängigkeit von
der Hilfestellung berichtet worden und zwar 5% ohne Hilfestellung, 25% bei der Verwendung natürlicher Häufigkeiten
und 60-75% bei umfassender Hilfestellung mittels einer Visualisierung in Verbindung mit natürlichen Häufigkeiten.
Trotz aller Strategien zur Steigerung der Performanz in Bayesianischen Situationen bleibt in allen untersuchten
Populationen eine hohe Quote an fehlerhaften Lösungen. Dennoch sind Studien, die Muster fehlerhafter Lösungen
untersuchen, bislang sehr selten. Empirisch abgesicherte Erkenntnisse zu Fehlermustern sind jedoch zentral, da sie
Bestandteil jedes Lernprozesses sind. Fehler sind zudem wichtig für die Steuerung des Lernens und für erfolgreiches
Lernen. Sie sind schließlich für Lernende ein wirksamer Lernstoff im Sinne von "Fehlerwissen".
Die wenigen Arbeiten zu Fehlern in Bayesianischen Situationen haben gezeigt, dass bei den Antworten von Versuchspersonen
typische Fehlermuster unterschieden werden können. Allerdings haben sich in verschiedenen Studien zum Teil widersprüchliche
Ergebnisse gezeigt, die durch unterschiedliche Kontexte in Bayesianischen Situationen, Formate der statistischen
Information, Visualisierungen, oder Frageformate bedingt sein könnten. Daher ist das zentrale Anliegen des vorliegenden
Projekts, das bestehende Wissen zu Fehlermustern in Bayesianischen Situationen zu systematisieren und zu erweitern.
Dazu soll in Bayesianischen Situationen das Format statistischer Informationen (natürliche Häufigkeiten vs.
Wahrscheinlichkeiten), die Art einer unterstützenden Visualisierung sowie das Format der Fragestellung erstmals
systematisch variiert werden. Die Ergebnisse sollen einen Beitrag für das Verständnis des Konstrukts des Bayesianischen
Denkens liefern, die über die reine Messung der Performanz von Versuchspersonen hinausgeht.
|
|
Projektleitung:
Prof. Dr. Karin Binder
karin.binder@math.lmu.de
Prof. Dr. Andreas Eichler
eichler@mathematik.uni-kassel.de
|